Detail

Strafrechtliche Aspekte der Covid-19 Pandemie – Teil I

Im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 hat der österreichische Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen, die auch in Zeiten der aktuellen Krisensituation das Funktionieren der österreichischen Strafgerichtsbarkeit und der Rechtspflege gewährleisten sollen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass einerseits die Gerichte und Staatsanwaltschaften handlungsfähig bleiben und andererseits die Rechtsanwälte ihre Dienstleistungen weiterhin ausüben können, damit Betroffene eines Strafverfahrens bestmöglich und effektiv ihre Rechte wahrnehmen können.

Neben diesen überwiegend prozessualen Neuerungen im Bereich des Strafrechts sind in den letzten Tagen zunehmend auch strafrechtliche Konsequenzen bei Zuwiderhandeln gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 in den Fokus gerückt. Nicht vernachlässigt werden darf zudem, dass die angespannte wirtschaftliche Situation vieler Unternehmen, insbesondere mit Blick auf die Gläubigerschutzdelikte des Strafgesetzbuches, potentiell weitere Strafbarkeitsrisiken birgt. Diesen Bereichen widmet sich nachfolgender Überblick.

Wesentliche Neuerungen im Bereich des Straf(prozess)rechts für anhängige Strafverfahren

Das 2. Covid-19-Gesetz (BGBl I 16/2020) ermöglicht die Unterbrechung sämtlicher Fristen in verwaltungs-, zivil- und strafgerichtlichen Verfahren. Auf dieser Grundlage hat die Bundesministerin für Justiz am 23.03.2020 eine Verordnung (BGBl II 113/2020) erlassen, die eine Unterbrechung folgender strafprozessualer Fristen anordnet: die Beschwerdefrist gemäß § 88 Abs 1 StPO, die Frist zur Erhebung eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 3 StPO, Vertagungen der Hauptverhandlung gemäß § 276a StPO, die Frist zur Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 284 Abs1 und 2 StPO, die Frist zur Überreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 Abs 1 StPO, die Frist zur Anmeldung einer Berufung gemäß § 294 Abs 1 bzw § 466 Abs 1 und 2 StPO sowie die Frist zur Überreichung einer Berufung gemäß § 467 Abs 1 StPO. Die Unterbrechung bewirkt, dass die jeweilige Frist nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes wieder neu zu laufen beginnt. Im Strafrecht gilt die Unterbrechung für die Dauer der Betretungsverbote zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus, die durch Verordnungen des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz – aktuell – bis 13.04.2020 in Kraft sind.

Anderes gilt für Finanzstrafverfahren: Hier endet die Unterbrechung der Fristen – derzeit – mit 30.04.2020. Sollte es allerdings zur Abwendung dringender Gefahren für bestimmte Rechtsgüter oder unwiederbringlicher Schäden einer Partei erforderlich sein, kann die Finanzstrafbehörde von der Unterbrechung im Einzelfall zur Gänze absehen und anstatt dessen eine neue, angemessene Frist bestimmen.

Von der Unterbrechung der Fristen nicht mitumfasst ist – zumindest bis dato – die in § 108a StPO gesetzlich geregelte Frist betreffend der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens. Diese läuft derzeit trotz der zwangsläufigen Verfahrensverzögerungen weiter. Ebenso nicht erfasst sind die Fristen der materiellen Strafbarkeitsverjährung und Haftfristen für die Untersuchungshaft.

Strafrechtliche Konsequenzen bei Zuwiderhandeln gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19

Das österreichische Strafgesetzbuch stellt sowohl die vorsätzliche wie fahrlässige Gesundheitsschädigung als auch die vorsätzliche wie fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten wie Covid-19 unter Strafe. So macht sich nach § 83 ff StGB bzw § 88 StGB gerichtlich strafbar, wer vorsätzlich bzw fahrlässig einen anderen an der Gesundheit schädigt. Die Strafdrohung beträgt grundsätzlich Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen. Ab einer bestimmten Schwere der Gesundheitsschädigung kann sich diese Strafdrohung deutlich erhöhen. Der Täter handelt hinsichtlich der Gesundheitsschädigung eines anderen vorsätzlich, wenn er diese ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet. Fahrlässig handelt der Täter hingegen, wenn er die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet ist. Die bloße Gefährdung der Gesundheit reicht für eine Strafbarkeit nach § 83 ff StGB bzw § 88 StGB allerdings nicht.

Bei einer Gesundheitsgefährdung können aber unter Umständen § 178 StGB bzw. § 179 StGB eingreifen. Nach diesen Tatbeständen macht sich strafbar, wer vorsätzlich bzw. fahrlässig eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren, anzeige- oder meldepflichtigen Krankheit unter Menschen herbeizuführen. Die Strafdrohung beträgt bei vorsätzlichem Handeln Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, bei fahrlässiger Begehung Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen. In diesen Fällen genügt sohin bereits die potentielle Gefahr der Verbreitung. Der tatsächliche Eintritt einer Gesundheitsschädigung ist nicht erforderlich. Strafbar kann sich daher auch derjenige machen, der – unabhängig davon, ob er damit gegen die Verordnungen zur Eindämmung von Covid-19 verstößt oder nicht – durch sein Handeln die Gefahr der Verbreitung des Virus herbeiführt, wenn die Infektion mit Covid-19 für ihn erkennbar war oder er es sogar ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, eine solche Gefahr herbeizuführen.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass auch das Epidemiegesetz 1950 als auch das bereits angeführte Covid-19-Gesetz Verstöße gegen auf Grundlage dieser Gesetze erlassene Verordnungen, wie zB Anzeige- und Meldepflichten, Verkehrs- und Zugangsbeschränkungen udgl, unter Strafe stellen. Hierbei handelt es sich allerdings um Verwaltungsstrafen, die – wie z.B. beim unzulässigen Betreiben einer Betriebsstätte – als Geldstrafen sehr empfindlich ausfallen können.

Hinweis zu wirtschaftsstrafrechtlichen Risiken in Zeiten von Covid-19

Wenngleich der Gerichtsbetrieb, wie dargestellt, derzeit auf ein Minimum reduziert worden ist, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch in der höchst angespannten wirtschaftlichen Situation, in der vielen Betrieben und Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit droht bzw eine solche bereits eingetreten ist, sämtliche Straftatbestände weiterhin verfolgt und geahndet werden. Strafbarkeitsrisiken wegen Untreue (§ 153 StGB), Betrügerischer Krida (§ 156 StGB), Schädigung fremder Gläubiger (§ 157 StGB), Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB), grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) oder wegen der Unvertretbaren Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände (§ 163a StGB) sind erfahrungsgemäß gerade in Zeiten von Krisen besonderer Beachtung zu widmen.

Sämtliches unternehmerisches Handeln sollte daher gerade jetzt im Hinblick auf diesen Kernbereich des Wirtschaftsstrafrechts kritisch hinterfragt werden. So führen erfahrungsgemäß insbesondere Situationen einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit zu unternehmerischen Handlungen, die ein nicht zu unterschätzendes Strafbarkeitsrisiko im Hinblick auf die oben genannten Tatbestände nach sich ziehen. Die regelmäßige Bewertung der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sollte daher auch gerade jetzt besonders sorgfältig wahrgenommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die ebenfalls im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 beschlossene Verlängerung der Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags von 60 Tagen ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auf 120 Tage keine Änderung hinsichtlich einer allfälligen Strafbarkeit wegen eines Gläubigerschutzdelikts, das die Zahlungsunfähigkeit zur Voraussetzung hat, zur Folge hat. Ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, hängt insbesondere nicht davon ab, ob ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, sondern bestimmt sich weiterhin nach denselben Kriterien wie vor der Covid-19 Pandemie.

Bei Fragen zu strafrechtlichen Themen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie stehen Ihnen bei wkk law Rechtsanwälte RA Dr Norbert Wess, RA Mag Markus Machan und RA Dr Vanessa McAllister sehr gerne und jederzeit zur Verfügung.